Wie Zohran Mamdani Politik neu brandet und was Kommunikationsprofis daraus lernen können

Kaum ein Politiker nutzt Gestaltung und Social Media derzeit so konsequent wie Zohran Mamdani. Der Abgeordnete aus Queens inszeniert Politik als Teil der Stadt. Was wie spontane Straßenkommunikation aussieht, ist eine präzise kalkulierte Markenstrategie. Ein Blick auf eines der spannendsten politischen Brandings der vergangenen Jahre und darauf, was Kommunikationsprofis daraus lernen können.
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In New York entsteht gerade eine der interessantesten politischen Marken der letzten. Der demokratische Politiker Zohran Mamdani, Sohn ugandisch-indischer Eltern und Abgeordneter aus Queens, steht für eine neue Generation von Kampagnen. Seine Designs sehen aus, als kämen sie aus einem Streetwear-Atelier, nicht aus einem Parteibüro. Und seine Social-Media-Strategie gleicht eher der einer Community-Bewegung als einer klassischen Wahlkampagne.
Was Mamdani gelingt, ist ein radikaler Bruch mit den Sehgewohnheiten politischer Kommunikation. Während viele Kampagnen auf Professionalität, Glätte und Wiedererkennbarkeit setzen, macht er das Gegenteil: unperfekte Typografie, auffällige Farben, Humor. Dahinter steckt kein Zufall, sondern ein präzises Verständnis davon, wie sich Zugehörigkeit heute visuell und digital herstellen lässt.
Branding: Wenn Authentizität zur Ästhetik wird
Das auffälligste Merkmal seiner Kampagne ist das Design. Statt des üblichen Demokraten-Blau setzt Mamdani auf ein kräftiges Gelb in Kombination mit Türkis- und Orangetönen. Das wirkt wie handgemacht. Die Typografie erinnert an handbemalte Schilder kleiner Läden in Queens wie Bodegas, Barbershops, Delis usw. Das Logo wirkt, als sei es auf Karton geschrieben worden, nicht in einer Werbeagentur entstanden.
Dieses visuelle Konzept macht zwei Dinge gleichzeitig: Es schafft Nähe und es setzt ein Statement. Nähe, weil sich Menschen in dieser Ästhetik wiederfinden, die sie aus ihrem Alltag kennen. Statement, weil es sich bewusst gegen die sterile Hochglanz-Sprache politischer Plakate richtet.
Die Typografie für die Kampagne von Zohran Mamdani stammt von Forge (Co-Creators: Aneesh Bhoopathy & Phil Ditzler) — gezeichnete Wortmarke, inspiriert von Hand-schildern und Street-Art. Die digitale Kampagnen- und Videoarbeit erfolgte durch das Brooklyn-basierte Studio Melted Solids. Die offiziellen Kampagnenfotos stammen von Fotografin Kara McCurdy.
Das Kampagnenlogo von Zohran Mamdani kombiniert kräftiges Orange und Rot mit einem satten Königsblau und ist eine bewusste Abkehr vom klassischen Blau der Demokratischen Partei. Die handgezeichnete Typografie erinnert an Schildermalerei aus New Yorker Bodegas und Straßenläden. Sie steht für Nähe, Diversität und den DIY-Charakter seiner Kampagne.

Kleine Imperfektionen
Für Kommunikationsprofis ist das interessant, weil es zeigt, wie sehr Design zum Träger von Haltung geworden ist. Authentizität entsteht nicht nur durch Slogans, sondern durch die Anmutung, durch kleine Imperfektionen, durch Brüche. Der Look von Mamdanis Kampagne erzählt damit etwas über ihn selbst: Er ist ein Politiker, der aus der Nachbarschaft kommt, nicht über ihr schwebt.
Natürlich birgt dieser Ansatz Risiken. Was für eine junge, urbane Wähler:innenschaft authentisch wirkt, kann in konservativeren Milieus als „zu verspielt“ gelten. In Deutschland etwa würden viele Unternehmen mit einem solchen Stil an ihre Grenzen stoßen. Aber das Prinzip lässt sich übertragen: Glaubwürdige Marken beginnen dort, wo sie ihre Zielgruppen ernst nehmen und nicht dort, wo sie versuchen, allen zu gefallen. Ich kann mir etwas ähnliches sehr gut bei Employer-Branding-Kampagnen für die Generation Z vorstellen.
Social Media: Community statt Kanalpflege
Auch digital unterscheidet sich Mamdanis Ansatz deutlich vom Standard. Seine Kampagne lebt nicht von polierten Imagevideos, sondern von kurzen, oft witzigen Clips, Memes und Reposts von Unterstützer:innen. Die Tonalität ist nah, ironisch und direkt. Wichtig ist dabei nicht die Professionalität, sondern die Beteiligung. Freiwillige werden Teil der Kommunikation, gestalten mit, übersetzen Inhalte in ihre eigene Sprache.
Auffällig ist die Mehrsprachigkeit: Viele Posts erscheinen auf Urdu, Bengali oder Spanisch. Das ist in einer Stadt wie New York gelebte Realität. Ca. 38 Prozent ihrer Einwohner:innen sind nicht in den USA geboren. Es macht die Kampagne damit glaubwürdig und schafft Verbindung zu Communities, die sonst politisch oft übersehen werden.
Zusammenspiel aus Online- und Offline-Präsenz
Hinzu kommt ein geschicktes Zusammenspiel aus Online- und Offline-Präsenz: Merchandising, Street-Aktionen, Sticker – alles wird digital gespiegelt. Das Ergebnis ist keine klassische Follower-Strategie, sondern eine Bewegung, die im Netz sichtbar wird, weil sie auf der Straße stattfindet.
Für die Kommunikationspraxis bedeutet das: Er kommuniziert nicht an Menschen, sondern mit ihnen. Ein Prinzip, das auch jenseits der Politik funktioniert – vorausgesetzt, eine Marke traut sich, Kontrolle abzugeben.
Sehr gut. Hier ist der neue Abschnitt, den du direkt in deinen Blogbeitrag integrieren kannst – er ergänzt das Kapitel zur Social-Media-Strategie und vertieft den Teil über Stil und Mechanik seiner Reels. Ich formuliere ihn so, dass er journalistisch-analytisch bleibt, aber praxisnah für Kommunikationsprofis lesbar ist.

Fünf wiederkehrende Muster seiner Reels
Zohran Mamdanis Reels sind zwar durchgescriptet, wirken aber nicht so. Statt auf Teleprompter und Greenscreen setzt er auf Spontanität, Tempo und Community-Codes. Seine Videos sind nicht perfekt produziert, aber präzise gedacht. Fünf Prinzipien prägen seinen Stil.
1. Sprache als Zugehörigkeit
In vielen Reels spricht Mamdani mehrere Sprachen: Englisch, Arabisch, Urdu, manchmal Spanisch. Wer in Queens lebt, hört diese Sprachen täglich und fühlt sich ernst genommen.
Kommunikative Stärke: Er macht Sprache selbst zum Symbol von Teilhabe.
Übertragbar: Unternehmen, die Diversität ernst meinen, können mit ähnlicher sprachlicher Offenheit Nähe schaffen.
Risiko: Mehrsprachigkeit darf kein Marketing-Trick sein; sie wirkt nur, wenn sie authentisch verwurzelt ist.
2. Straße statt Studio
Die meisten Reels spielen nicht im Büro oder in einem Setting mit Markenhintergrund, sondern auf den Straßen. Sie sind als „Walk & Talk“-Clips konzipiert. Man hört Verkehr, Kinder, Musik aus Läden. Diese Authentizität signalisiert Nähe und Alltagstauglichkeit.
Kommunikative Stärke: Wer dort auftaucht, wo Menschen leben, statt sie zu adressieren, erzeugt Vertrauen.
Übertragbar: Employer-Branding-Clips oder CSR-Videos gewinnen, wenn sie reale Umgebungen zeigen.
Risiko: Authentizität kippt ins Amateurhafte, wenn Ton oder Bild unverständlich werden.
3. Emotion ohne zu starken Pathos
In seinem „Victory“-Reel nach der Wahl verdichtet Mamdani Emotionen. Er setzt Musik nur sparsam ein, die Jubelbilder sind authentisch. Das Reel wird getragen durch seine Stimme, Gestik und seine Botschaft. Am Ende setzt er Musik ein, die an Bollywood erinnert.
Kommunikative Stärke: Emotion wird kontrolliert eingesetzt, nicht instrumentalisiert.
Übertragbar: Gerade in Unternehmenskommunikation ist dieser Minimalismus wirkungsvoll.
Risiko: Wer zu nüchtern wird, verliert Identifikationspotenzial – Balance ist entscheidend.
4. Meta-Kommunikation über Kommunikation
In mehreren Clips spricht Mamdani über seine eigene Kampagne. Zu Beispiel darüber, warum sie anders aussieht oder warum Memes funktionieren. Das bricht die vierte Wand: Er erklärt, wie politische Kommunikation tickt, während er sie praktiziert.
Kommunikative Stärke: Transparenz schafft Vertrauen und macht die Kampagne selbst zum Diskursobjekt.
Übertragbar: Auch Unternehmen können eigene Kommunikationslogik erklären, z. B. bei Rebrandings oder Social-Kampagnen.
Risiko: Wer zu stark über Kommunikation redet, läuft Gefahr, Meta statt Message zu senden.
5. Ästhetik der Bewegung
Seine Videos wirken immer in Bewegung. Es gibt fließende Schnitte, Zooms, kurze Texteinblendungen in Signalfarben. Man spürt Energie und Rhythmus.
Kommunikative Stärke: Tempo = Haltung. Die visuelle Dynamik überträgt sich auf die Wahrnehmung seiner politischen Energie.
Übertragbar: In B2B-Kommunikation oft unterschätzt. Bewegung erzeugt Aufmerksamkeit, bevor Inhalt ankommt.
Risiko: Zu viel Dynamik kann aufgesetzt wirken, wenn sie nicht durch Inhalt getragen wird.
Der letzte Stopp: City Hall
Am Wahltag postete Zohran Mamdani ein kurzes Reel, das ohne Worte auskommt. Man sieht eine U-Bahn, die in eine Station einfährt. Die Türen öffnen sich. Aus den Lautsprechern ertönt die Ansage: „The next and last stop is City Hall.“ Zum Schluss wird noch einmal „Zohran for New York City“ eingeblendet.
Dieses Video ist die Essenz seiner Kampagne: Bewegung, Ankunft, Ziel. Die U-Bahn – das Transportmittel der Stadt, Symbol für Alltagsnähe, Gemeinschaft und Wandel – wird hier zur Metapher seiner politischen Mission. Der Sound ist roh, die Kamera wackelt. Es gibt keine Caption.
Kommunikativ betrachtet ist das ein Musterbeispiel für Reduktion. Mamdani verlässt sich auf kollektive urbane Erfahrung: Jede:r New Yorker erkennt diese Stimme, diesen Rhythmus, diesen Ort. Er erzählt nichts Neues, sondern aktiviert bestehende Bilder im Kopf seines Publikums. Nur die Ansage einer letzten Station, die doppelt gelesen werden kann: als geografischer Zielpunkt und als symbolische Ankunft im Machtzentrum der Stadt.
Was PR und Marketing daraus lernen können
Die Kampagne zeigt, wie konsequent Gestaltung, Haltung und Community-Management ineinandergreifen können. Für Unternehmen, Organisationen und Agenturen lassen sich daraus einige Lehren ziehen:
Was übertragbar ist:
- Konsistenz über alle Kanäle: Eine klare, wiedererkennbare Linie funktioniert auch in fragmentierten Medienwelten.
- Lokale Verwurzelung: Marken werden stärker, wenn sie dort anknüpfen, wo Menschen leben. Wir haben hier 100 % Zielgruppe.
- Mut zur Unperfektion: Kleine Brüche und Ecken erzeugen Glaubwürdigkeit, gerade in Zeiten generischer KI-Kommunikation.
- Haltung vor Hochglanz: Glaubwürdigkeit ersetzt Perfektion.
Was nicht übertragbar ist:
- Meme-Kultur lässt sich nicht beliebig in jede Marke integrieren.
- Ironie funktioniert nur, wenn sie kulturell verstanden wird.
- Politische Dringlichkeit ist kein Stilmittel, das man nachbauen kann.
- Ohne charismatische Führungsfiguren funktioniert Social Media in dieser Form nicht.
Fazit: Der Mut zum eigenen Ton
Zohran Mamdanis Kampagne wirkt, weil sie visuell, inhaltlich und digital eine eigene Sprache gefunden hat. Sie ist keine Rebellion gegen das System, sondern ein Beweis, dass Haltung und Handwerk sich nicht ausschließen müssen.
Für alle, die Kommunikation gestalten, bleibt die eigentliche Frage: Wie viel Mut zur Eigenständigkeit traut man sich zu? Denn wenn alle gleich klingen – glatt, optimiert, generisch – wird das Authentische zum stärksten Differenzierungsmerkmal. Mamdani hat das verstanden. Und genau deshalb reden jetzt alle über ihn.
Quellen
- GQ (2025): Zohran Mamdani’s Campaign Merch Is the Coolest Political Branding We’ve Seen in Years.
- The Wire (2025): The Visual Lessons from Zohran Mamdani’s Campaign.
- GDUSA (2025): Mamdani’s Campaign Branding Breaks the Mold.
- Social Samosa (2025): Meme-Led Messaging: How Zohran Mamdani Reframed Political Communication.
- EOK Consults (2025): Social Media Lessons from Zohran Mamdani’s NYC Campaign.
- NDTV (2025): Zohran Mamdani Shares Video of City Hall Station in First Post After Winning New York Mayoral Polls.
- Instagram (2025): Zohran Mamdani – Post „City Hall“ (ohne Caption).
